Neuer Trend: Buchübersetzung früher als das Original?

Die traditionelle Reihenfolge der Herausgabe von neuen Büchern: 1. Hardcoverausgabe, 2. Paperbackausgabe, 3. Übersetzung(en) passen sich unternehmensfreudige niederländische Verleger aus kaufmännisch-taktischen Gründen nach ihrem Belieben an.
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Für den Erfolg reicht ihnen nicht mehr die Verkürzung der Wartezeit auf die Buchübersetzung: Bei einer Reihe von Titeln gelang es ihnen, die niederländische Übersetzung von englischen Büchern noch vor deren englischen Paperbackpremiere auf den Markt zu bringen. Selbstverständlich war der Grund das Geld – es sollte verhindert werden, dass die billige englische Ausgabe dem Verkauf der niederländischen Übersetzung Konkurrenz macht.

Bei diesem Rennen gegen die Zeit zogen den Schwarzen Peter die Übersetzer: Die Lieferzeiten haben sich extrem verkürzt, die Übersetzer mussten an den Buchübersetzungen in Teams von 2–4 Personen arbeiten, ihre Vorlage war in vielen Fällen noch das in der Revision befindliche Manuskript.

Das aber reichte den Verlegern immer noch nicht: Die Übersetzung sollte noch früher als das Original erscheinen. Das ist auch das Schicksal des Buches vom südafrikanischen Schriftsteller mit niederländischen Wurzeln, dem Nobelpreisträger John Maxwell Coetzee Tagebuch eines schlechten Jahres (Diary of a Bad Year).

Das Buch, das selbst einen Schriftsteller zum Thema hat, der eine Erzählungssammlung auf Englisch schreibt, aber für einen deutschen Verlag, so dass sie zuerst in der Übersetzung erscheinen soll, zeigte einige interessante Effekte der Weltpremiere, bei der es tatsächlich zuerst in der niederländischen Übersetzung erschien: Nicht nur, dass es in Buchhandlungen auf eine ähnliche Art und Weise wie der neue Beaujolais präsentiert wurde. Die Aufmerksamkeit der Literaturkritiker war vollständig auf dessen Übersetzung konzentriert. Die Rezensenten konnten dann die Übersetzungsqualität nicht objektiv beurteilen, sondern nur feststellen, dass sie gut lesbar sei.

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